Während Metropolen wie München, Berlin oder Hamburg seit Jahren einen starken Zuzug verzeichnen, sterben kleine Dörfer anderswo sogar aus. Landflucht nennt sich dieses Phänomen, das erstmalig in Zeiten der Industrialisierung in der Breite auftrat. Seit knapp zwei Jahrzehnten taucht es nun auch wieder in Deutschland auf und gefährdet die ohnehin schon vom demokratischen Wandel betroffenen ländlichen Gebiete. Wie die Situation in Südwestfalen aussieht, wie die Politik handelt und welche Maßnahmen Unternehmen jetzt ergreifen sollten, lesen Sie hier.
Demografie: Wenn die Jungen gehen und die Alten bleiben
Der Trend zur Urbanisierung hat konkrete Auswirkungen. Vor allem Menschen zwischen 20 und 35 Jahren zieht es in die Großstädte, weil sie dort bessere Ausbildungs- und Berufsperspektiven, mehr Freizeitangebote und ein „urbanes Lebensgefühl“ erwarten. Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung schrumpfen ländliche Regionen deutschlandweit. Auch Südwestfalen ist betroffen: Der Kreis Siegen-Wittgenstein erwartet beispielsweise einen Bevölkerungsrückgang von 7.500 Personen bis 2039. Gleichzeitig wird der Anteil an über 80-Jährigen voraussichtlich von 7,3 Prozent auf 9,1 Prozent steigen– mit Folgen für Fachkräftemangel, Infrastruktur und Wirtschaftskraft. Auch der Märkische Kreis ist betroffen: Hier wird ein Bevölkerungsrückgang von 5 Prozent prognostiziert.
Beobachtungen wie diese können Unruhe wecken, schließlich kämpfen einzelne Regionen in Deutschland, besonders in den neuen Bundesländern, mit einem starken Bevölkerungsrückgang und dem sich daraus entwickelnden Teufelskreis: Der weiteren Abwanderung von Infrastruktur und Freizeitangeboten durch die ständig weiter sinkende Nachfrage. Und dort, wo das Angebot schlecht ist, wolle sich vor allem die begehrten Fachkräfte nicht niederlassen.
Auf Südwestfalen lassen sich solch dunkle Prognosen jedoch nicht projizieren. Zwar locken auch hier das Ruhrgebiet als attraktive Metropolregion mit zahlreichen Angeboten und die Stadt Köln als urbanes Zentrum, die gerade junge Menschen anziehen. Jedoch ist die Region selbst von Mittelstädten, die ebenfalls eher zuzugsstark sind, durchzogen. Weites Gebiet ganz ohne städtischen Einfluss gibt es somit in der Region kaum.
Das können Unternehmen konkret tun
Wer außerdem maßgeblich zur Attraktivität einer Region beiträgt: Die dort ansässigen Unternehmen. Diese haben selbst ein Interesse daran, in einer Umgebung zu sitzen, die als attraktiv gilt. Potentielle Kundinnen und Kunden sowie Angestellte sollen schließlich auch mittel- und langfristig dort verfügbar sein. Auch wenn die strukturelle Entwicklung einer Region vor allem Aufgabe der Politik ist, können auch Unternehmen selbst tätig werden, um direkt oder indirekt zur Attraktivität ihrer Region beizutragen. So können sie beispielsweise:
Kooperationen mit Bildungseinrichtungen eingehen: Duale Studiengänge oder Praxissemester mit FHs und Berufsschulen binden Talente frühzeitig. Gerade zum Berufsstart ziehen junge Menschen häufig um. Durch Kooperationen können Sie dafür sorgen, dass die richtigen Talente zu Ihnen kommen.
Attraktive Arbeitgebermarke aufbauen: Über Social Media, gezielte PR und Employer Branding gelingt Ihnen die richtige Positionierung. Besonders wichtig: Denken Sie Marketingmaßnahmen langfristig und glaubwürdig. Hier können Kooperationen mit lokalen Vereinen und Initiativen helfen, Einblicke in den Arbeitsalltag oder die Stimmen der Beschäftigten.
Hybride Arbeitsmodelle schaffen: Homeoffice oder Mobile Work reduzieren die Notwendigkeit, für den Job in die Stadt zu ziehen. So können potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in urban ansässigen Unternehmen auf dem Land wohnen bleiben, ohne einen Umzug oder einen langen Arbeitsweg in Kauf zu nehmen. Eine gute digitale Infrastruktur ist hierfür Voraussetzung.
Aufgaben der Politik: Wo flächendeckendes, strategisches Handeln gefordert ist
Die Politik ist sich der Problematik der Landflucht bewusst und versucht auf Bundes- und Landesebene seit einigen Jahren, aktiv gegenzusteuern. Die Nordrhein-Westfälische Landesregierung hat bereits 2017 umfangreiche Strukturmaßnahmen zum Ausbau des Nahverkehrs im ländlichen Raum in die Wege geleitet. Neben der guten, öffentlichen Erreichbarkeit der Städte vom Umland aus nennt Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland schnelles Internet, gute Nachversorgung mit ausreichender ärztlicher Versorgung sowie attraktive Freizeitmöglichkeiten.
Faktoren wie diese können beispielsweise durch Anreize für Medizinstudierende, sich nach dem Studium auf dem Land niederzulassen, durch öffentliche Förderung des Glasfaserausbaus oder durch eine Stärkung der regionalen Wirtschaftsförderung besonders in ländlichen Gebieten erreicht werden. Auch die gezielte Ansiedlung von Bildungs- und Freizeiteinrichtungen kann zur Attraktivität ländlicherer Gebiete beitragen.
Was die Region frühzeitig erkannt hat: Um auch bundesweit attraktiv zu sein, bedarf es einer starken Regionalmarke. Südwestfalen hat sich diese Marke in den letzten Jahrzehnten durch industriellen Innovationsgeist, aber auch durch starke Initiativen und eine gute Vernetzung von Industrie und Gemeinwesen, erarbeitet. Der weitere Ausbau dieser Netzwerke ist eine Aufgabe, an der Industrie und Politik im besten Fall gemeinsam arbeiten.
Die Rolle der Volksbank in Südwestfalen: So können wir Unternehmen in ländlicheren Gebieten unserer Region unterstützen
Als genossenschaftlich verankertes Institut ist die Volksbank in Südwestfalen in stetem Austausch mit den Unternehmen der Region, um ihre Bedarfe zu verstehen. Sie versteht sich als ihr aktiver Partner. Für Unternehmer in ländlicheren Gebieten könnten folgende Leistungen besonders interessant sein:
- Finanzierungsberatung für digitale Infrastruktur, Energieeffizienz oder Unternehmenserweiterung,
- Begleitung bei der Unternehmensnachfolgemit einem Verständnis für die unternehmerische Tradition und den Mehrwert, den der Betrieb für die Region bietet und
- Produkte zur Vorsorge und Mitarbeiterbindung, die Sie dabei unterstützen, sich als attraktive Arbeitgeberinnen und -geber in der Region zu präsentieren und Fachkräfte langjährig zu halten.
So stärken wir als Volksbank die Wirtschaft und Gesellschaft vor Ort mit passgenauer Unterstützung.
Der ländliche Raum hat Zukunft – die wir gemeinsam gestalten können
Südwestfalen steht demographisch noch nicht unter starkem, unmittelbarem Druck. Dennoch müssen wir die Bevölkerungsentwicklung im Auge halten und eventuelle Abwanderungsbewegungen, die den altersbedingten demographischen Wandel verstärken, frühzeitig vorbeugen.

