Immer mehr Unternehmen aus Industrie und der Handwerksbranche stellen ihre Prozesse auf Nachhaltigkeit um. Ein zentraler Schlüsselbegriff dabei: Kreislaufwirtschaft. Was auf europäischer Ebene politisch vorangetrieben wird, bietet auch Chancen für wirtschaftlich starke Regionen wie Südwestfalen. Ein Überblick über das Prinzip – und warum es sich lohnt, genauer hinzusehen.
Vom linearen Verbrauch zum zirkulären Wirtschaften
Die Kreislaufwirtschaft steht für einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Art, wie wir produzieren, konsumieren und wirtschaften. Statt Ressourcen linear – also vom Rohstoff zur Nutzung bis hin zur Entsorgung – zu verbrauchen, setzt die Kreislaufwirtschaft auf geschlossene Stoffkreisläufe. Ziel ist es, Produkte, Materialien und Rohstoffe möglichst lange im Kreislauf zu halten, Abfälle zu vermeiden und damit Umweltbelastungen ebenso wie Kosten zu senken.
Dieses Prinzip eröffnet insbesondere für Unternehmen neue Perspektiven: Durch Wiederverwertung, Reparatur, Rücknahme oder innovative Geschäftsmodelle entstehen Wettbewerbsvorteile – gerade auch im industriell geprägten Mittelstand. Die EU verfolgt mit ihrem „Green Deal“ und dem „Circular Economy Action Plan“ (zu Deutsch: EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft) klare Leitlinien – etwa Klimaneutralität bis 2050. Und ein wichtiger Schritt, um dies zu erreichen, ist die Kreislaufwirtschaft.
Doch der tatsächliche Wandel beginnt auf regionaler Ebene. In wirtschaftsstarken Regionen wie Südwestfalen, wo Produktionskompetenz, technisches Know-how und Mittelstandstradition aufeinandertreffen, ergeben sich dadurch vielversprechende Ansätze für eine zukunftsgerichtete Transformation.
Die Kreislaufwirtschaft ist dabei nicht nur ökologisches Gebot, sondern bietet auch ökonomische Chance. Unternehmen, die frühzeitig auf nachhaltige Prozesse umstellen, stärken nicht nur ihre Resilienz gegenüber Ressourcenengpässen und steigenden Preisen – sie positionieren sich auch als attraktive Partnerinnen und Partner für Kundinnen und Kunden, Investorinnen und Investoren sowie junge Talente.
Best Practices aus Südwestfalen
Ein Unternehmen, das diese Chancen erkannt hat, ist das Meinerzhagener Unternehmen Fernholz. Das südwestfälische Unternehmen ist auf Kunststoffverpackungen und -folien spezialisiert und zählt zu den wenigen Betrieben in Deutschland, die einen vollständig EU-zugelassenen Recyclingprozess für PET-Kunststoffe anbieten dürfen. Dabei wird PET – etwa aus Plastikflaschen – in einem besonderen Verfahren gereinigt und dekontaminiert, sodass das recycelte Material wieder für den direkten Lebensmittelkontakt verwendet werden kann.
Als ergänzendes Best‑Practice‑Beispiel entsteht in Südwestfalen das Projekt „Kreislaufgerechtes Bauen mit Holz“, das durch die REGIONALE 2025 gefördert wird. Mit dem dritten Stern ausgezeichnet, erhielt das Projekt deshalb im Juli 2024 rund 470.000 Euro Förderung aus Landes- und EU‑Mitteln (EFRE).
Das Vorhaben arbeitet eng mit rund 17 Partnerorganisationen aus Handwerk, Verwaltung, Holz- und Forstwirtschaft sowie Architektur zusammen. Ziel ist es, im Sinne eines Reallabors die Prinzipien zirkulärer Nutzung konkret auf Holzbau anzuwenden – unter dem Leitmotiv „Lernen aus dem Bestand für den Neubau“. Dabei werden beispielsweise bestehende Dachstuhlelemente und Holzkonstruktionen analysiert und geprüft, wie ihre Bauteile in Planung, Verarbeitung und Wiederverwendung integriert werden können.
Der ganzheitliche Ansatz bezieht die gesamte Wertschöpfungskette ein – von der Forstwirtschaft über Verarbeitung bis hin zur Planung. Die Erwartungen: Südwestfalen soll als Kompetenz- und Modellregion für kreislaufgerechten Holzbau fungieren und die gewonnenen Erkenntnisse als übertragbare Blaupause für andere Regionen bereitstellen.
Ganz anders – aber ebenfalls kreislaufwirtschaftlich wirkungsvoll – agiert das Kunststoff‑Institut Lüdenscheid als Netzwerk und Dienstleister für die Kunststoffbranche in Südwestfalen. Es verknüpft über 400 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und betreut innovative Nachhaltigkeits‑, Recycling‑ und Entwicklungsprojekte.
Ein Beispiel ist das Projekt „Nachhaltige Veredlung von Kunststoffen“, gestartet im September 2023. Es zielt darauf, beschichtete Ausschussbauteile oder Rückläufer mittels Entschichtungs- und Recyclingverfahren aufzubereiten, um sie erneut veredeln und nutzen zu können. Parallel dazu unterstützt das Institut ein Projekt zum Einsatz von Rezyklat für technische Produkte, bei dem Rezyklate systematisch geprüft, klassifiziert und markerbasiert gekennzeichnet werden – um ihre Recyclingfähigkeit zu erhöhen und langfristig Pfandsysteme für Kunststoffteile zu ermöglichen.
Zukunft gestalten durch Kreislaufwirtschaft
Die Beispiele aus Südwestfalen zeigen: Kreislaufwirtschaft ist längst kein theoretisches Zukunftskonzept mehr, sondern ein echter Mehrwert für Unternehmen – ökologisch wie ökonomisch. Wer auf geschlossene Materialkreisläufe setzt, kann nicht nur Abfall und Emissionen reduzieren, sondern auch Kosten sparen – etwa durch den effizienteren Einsatz von Rohstoffen, die Wiederverwendung von Materialien oder den Aufbau resilienter Lieferketten. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsfelder, Partnerschaften und Innovationsimpulse, die auch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Besonders für mittelständisch geprägte Regionen wie Südwestfalen bietet der Wandel zur zirkulären Wirtschaft eine große Chance: Bestehende Kompetenzen in Produktion, Werkstofftechnik und Handwerk können gezielt weiterentwickelt werden – hin zu nachhaltigen Lösungen mit Vorbildcharakter. Das schafft Zukunftssicherheit und macht die Region auch für Fachkräfte und Investoren attraktiver.
Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist kein Selbstläufer – aber er lohnt sich. Und je mehr Akteure ihn aktiv mitgestalten, desto schneller entsteht ein starkes, nachhaltiges und innovatives Wirtschaftsökosystem. Südwestfalen hat das Potenzial, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen. Viele gute Beispiele gibt es schon – und viele weitere werden folgen.

