Sind die Babyboomer, sprich die 1950- bis 1964-Geborenen, erst einmal in Rente, wird es für Unternehmen äußerst schwierig die freigewordenen Stellen neu zu besetzen, heißt es in jeder HR-Fachzeitschrift. Schuld daran sei der Fachkräftemangel durch fehlende Nachkommen. Unternehmen hätten einen existenzgefährdenden Generationenwechsel zu befürchten, in dem ganze Führungsetagen von erfahrenen High Performern wegfallen. Doch stimmt das wirklich? Expertinnen und Experten sehen einen neuen Trend bei der älteren Generation, der Unternehmen Hoffnung gibt: die Silver Society. Wir klären auf, was es damit auf sich hat und wie Sie den Trend für Ihr Unternehmen nutzen können.
Wie sich das Bild vom Altern in der Gesellschaft geändert hat
„Altwerden ist nichts für Feiglinge“ war einst eine viel zitierte Lebensweisheit der Babyboomer-Generation, welche jedoch in den letzten Jahren immer mehr an Gültigkeit verlor. Die Angst vor dem Altwerden wird zunehmend durch ein Lebensgefühl ersetzt, das dem demografischen Wandel gerecht wird: durch die gestiegene Gesundheitsfürsorge werden Menschen immer älter und bleiben immer länger agil. Ein Großteil der Menschen ab 60 Jahren ist weitaus fitter als die Generationen davor und sieht den kommenden Lebensabschnitt eher als eine Chance, sich in oder außerhalb des Berufes selbst zu verwirklichen. Sie bleiben länger aktiv, arbeiten weiter oder engagieren sich ehrenamtlich.
HR-Expertinnen und -experten sprechen bei diesem Phänomen beziehungsweise gesellschaftlichen Trend von der sogenannten „Silver Society“, zu Deutsch: Silbergesellschaft. Der Trend geht also weg von dem bloßen Ausruhen in der Rente hin zu mehr Selbstverwirklichung und dem Nachgehen von Aktivitäten, für die man im mittleren Alter keine Zeit hatte. Doch wie wirkt sich das auf die Wirtschaft aus?
Es ergeben sich neue Zielgruppen für Produkte und Dienstleistungen
Dass die Menschen immer älter werden und weniger junge Menschen nachkommen, führt zunächst zu einer Kehrtwende in der Bewerbung von Produkten und Dienstleistungen. Um einen hohen Umsatz zu generieren, wird es für Firmen immer wichtiger bei der Werbung die älteren Generationen miteinzubeziehen, schon allein deshalb, weil sie die größte Zielgruppe ist. Sie ist zwar durch ihre Erfahrung nicht mehr so leicht durch Werbung zu überzeugen, dafür aber aufgrund ihrer hohen Rente und ihrem hohen Vermögen weitaus konsumfreudiger. Letzteres hängt unmittelbar mit dem Lebensgefühl der Silver Society zusammen: wer sich auch im Alter selbstverwirklichen will, greift für seine Wünsche entsprechend tiefer in die Tasche. Egal ob es sich dabei um die langgehegte Kreuzfahrt handelt oder das teure E-Bike, um länger fit zu bleiben.
Orientiert an der Silver Society ergeben sich so für Unternehmen neue Zielgruppen, die früher oder später angesprochen werden müssen. Dabei wird zwischen „Forever Youngsters“, „Free Ager“ und den „Golden Mentors“ unterschieden. Mit den Forever Youngsters sind diejenigen Älteren gemeint, die sich bewusst jung fühlen möchten und ihren Lebensstil inklusive Ernährung und Sport entsprechend anpassen. Sie setzen alles daran, das, was sie im mittleren Alter nicht für sich verwirklichen konnten, jetzt umzusetzen. Die „Free Ager“ hingegen, sehen den bevorstehenden Renteneintritt und das zunehmende Alter deutlich gelassener. Diese Menschen, in der Regel ab einem Alter von 50 Jahren, möchten ihr Leben entschleunigen und sich auf die wesentlichen Dinge wie Familie, Beziehung, Freundschaften und Hobbies konzentrieren. Mit den „Golden Mentors“ dagegen, sind die Älteren gemeint, die als ehemalige Fach- und Führungskräfte abtreten und ihre Erfahrungen an die jüngere Generation weitergeben wollen. Gerade letztere sind für Ihr Unternehmen intern, wie sich an späterer Stelle zeigt, äußerst relevant.
Die neuen Zielgruppen wirken sich früher oder später auf die Werbemaßnahmen als auch auf die anzubietenden Produkte und Dienstleistungen Ihres Unternehmens selbst aus. Welche Zielgruppe dabei von Ihnen angespielt werden muss, ist davon abhängig, was und wie Sie verkaufen beziehungsweise anbieten.
Unternehmensintern findet ein Generationenwechsel statt
Eine Prognose der vielen HR-Expertinnen und -experten können wir leider nicht widerlegen: in den meisten Unternehmen wird es mit dem Renteneintritt der Babyboomer einen radikalen Generationenwechsel geben. Sie können mit geeigneten Maßnahmen lediglich beeinflussen, wie radikal dieser ausfällt.
Laut einer Prognose des Wirtschaftsinstitutes Prognos sollen bis 2025 rund 2,9 Millionen Fachkräfte deutschlandweit in Rente gehen. Um den Generationenwechsel im Unternehmen nicht abrupt vollziehen zu müssen, gilt es, den Renteneintritt der Älteren rauszuzögern, sprich die Erfahrungsträgerinnen und -träger, die die neuen Arbeitskräfte anlernen, länger zu halten. Es reicht also nicht mehr, eine Arbeitgebermarke zu etablieren, die für junge Menschen attraktiv ist, sondern auch eine für ältere High Potentials. Genau an dieser Stelle kann auf das Wissen über die Silver Society zurückgegriffen werden, die Andeutungen macht, was der älteren Generation wichtig ist: Selbstverwirklichung, Gesundheit, mehr Freizeit und die Rückbesinnung auf das Wesentliche im Leben. Konkret können Sie dafür folgendes in Ihrem Unternehmen etablieren:
- Ein Teilzeitmodell oder die Möglichkeit auf Remote-Work
- Eine vereinfachte Rückkehr aus dem Ruhestand, sollten sich Rentnerinnen und Rentner im Verlauf ihres Ruhestandes doch für eine erneute Tätigkeit entscheiden
- Ergonomische Arbeitsplätze, um älteren Menschen die Arbeit selbst zu erleichtern
- Zusätzliche Urlaubstage, die ältere Menschen entlasten
- Weiterbildungsmöglichkeiten, die zur Selbstverwirklichung von Älteren beitragen
- Gesundheitsmaßnahmen wie die finanzielle Förderung von Fitnessstudios und Reha-Programmen
- Sabbatical- und Pflegezeit-Angebote, die den Älteren längere Ruhezeiten ermöglichen
Die wichtigste Maßnahme, um erfahrene High Potentials zu halten, dürfte aber deren Wertschätzung sein. In der Regel geben die sogenannten „Golden Mentors“, die das Unternehmen nach vielen Jahren verlassen, ihre Erfahrung gerne an die Nachkommen weiter. Es ist also empfehlenswert, die Ü-50-Jährigen in Ihrem Unternehmen nicht mehr als „Alte Hasen“ anzusehen, sondern sie entsprechend ihrer langjährigen Leistungen weiter zu fördern und ihnen die nötige Dankbarkeit entgegenzubringen. Lassen Sie diese High Potentials einfach ziehen, ohne sie in die Ausbildung der Nachkommen miteinzubeziehen, gehen ihre Erfahrungswerte verloren. Das ist nicht nur schade, es kostet Sie auch Ressourcen, diese Erfahrungswerte komplett neu aufzubauen.

